Vom 10.-12. August 2023 fanden sich etwa 80 Interessierte verschiedenster christlicher Konfessionen (orthodox wie nicht orthodox) in der Verkündigungs-St. Justin-Einsiedelei zusammen, um sich in der 1. Konferenz dieser Art zum Thema „Eigenart der Orthodoxen Theologie: allgemeine Ansätze“ mit Gleichgesinnten auszutauschen und Antworten für ihr persönliches Glaubensverständnis finden zu können. Die Konferenz wurde von der klösterlichen Gemeinschaft mit Unterstützung von auswärtigen Mitarbeitern organisiert. Sowohl die idyllisch in Waldhessen gelegene Einsiedelei als auch die inhaltlich sehr gute Vorbereitung der Organisatoren boten einen wunderbaren Rahmen für ein grundlegendes Verständnis der orthodoxen Theologie, eine Stärkung des Glaubens durch die Vertiefung im gemeinsamen Gebet, viele neue Anknüpfpunkte aus persönlichen Erkenntnissen, Begegnungen sowie dem Beginn und der Vertiefung vieler Freundschaften.
Für viele sehr erkenntnisreich war die Beleuchtung des hellenischen Erbes im Christentum durch Äbtissin Irina Djordjic, welche sehr hilfreich ist, das Neue Testament im Kontext der damals gebräuchlichen philosophischen Begriffe des römischen Reiches zu verstehen, auf denen gezielt aufgebaut wurde, um die Lehre von Jesus Christus zu seiner Zeit gerade für Heiden verständlich zu machen. Mutter Andrea Vlachou legt in ihrer sehr eloquenten Rede dar, wie die Bibel als vom heiligen Geist inspiriert, aber von Menschen aufgeschrieben, sich dem rein intellektuellen Zugang verschließt und sich nur durch die Wirkung des Heiligen Geistes und die Kirche offenbart. Vater Justin Rauer legt dar, wie der Weg zu Gott durch „das Umgeisten“ (griechisch: Metanoia) erfolgt, bei dem wir uns „loslassen“ und als denjenigen wahrnehmen können, der wir vor Gott sein werden. Dieser Perspektivwechsel auf unser Potenzial in der Verherrlichung in Gott, legt die ungeschaffene Energien frei, mit denen Heilung und Erleuchtung erst möglich werden. Abgerundet wurde der erste Konferenztag mit Vorträgen zur Theologie der Ikone und der Hymnographie der orthodoxen Kirche.
Der zweite Tag beginnt mit den persönlichen Erinnerungen des S’chiarchimandriten Basilius Grolimund an den Heiligen Justin von Celije, dem die Einsiedelei geweiht ist. Danach trägt Marko Delic vor über die Wichtigkeit der Schriften der heiligen Väter für die orthodoxe Theologie, welche die mystische Bedeutung der Bibel aufdecken, die sich nur mit der Gnade Gottes offenbart. Das Studium ihrer Schriften ist elementar für die Erlangung der „festen Speise“ des Verständnisses, das nur den Vollkommenen vorbehalten ist. Bischof Hiob Bandmann adressiert die Zerrissenheit der deutschen Christen zwischen den Extremen, des Absolutismus des Papstes und des Individualismus mit der Bibel aus der Kirchengeschichte der ökumenischen Konzile und ihrer Bedeutung für die orthodoxe Theologie. Die Theologie der Heiligen ist für uns, wie von Cornelia Hayes vorgetragen, eine tägliche Erinnerung und Mahnung an ein vollendetes Leben in Gott, an dem wir uns Beispiel nehmen sollen. Mönch Nil Lazarenco zitiert den heiligen Johannes Klimakos in seinem Vortrag zur Askese und Theologie mit den Worten „Gehe den engen Weg und beenge deinen Bauch“ und führt aus, wie die orthodoxe Theologie eine asketische Lesung der Bibel erfordert und die Askese ihren Weg der Tugend nur zwischen zwei Extremen finden kann. In der Einführung in die mystische Theologie der Orthodoxen Kirche von Novize Christoph Lorentz bleibt der Satz in Erinnerung „Das Gebet einer Großmutter steht höher als gelehrte Ausführungen eines Theologie-Professors.“
Der letzte Tag wird eingeleitet mit einer wunderbaren Liturgie in deutscher Sprache, um sich später in drei verschiedenen Diskussionsrunden zu vertiefen, in denen viele Fragen zur Liturgie und Theorie und Praxis der Orthodoxie beantwortet werden können. Zurückbleiben viele leuchtende und dankbare Augen für die gemeinsame Zeit und die vielen Einblicke, die jeder Teilnehmer mit nach Hause und in sein Gebet nehmen kann. Die offene Frage von vielen am Ende war dann die nach der nächsten Konferenz, die sehnsüchtig erwartet und wohl auch bereits in ersten Planungen zu sein scheint. Nun bleibt es noch Dank zu sagen für alle die diese segenreiche, erleuchtete und heilsame Konferenz ermöglicht haben. ….